
Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 36 + 37 beinhaltet die Worte „Schlick, putzen, ominös“, gesponsert von Ludwig Zeidler.
Wirre Gedanken, weil eine Freundin verstorben ist. Eigenlich wollte ich nichts darüber schreiben, aber ich denke sowieso dauernd daran, also kann ich auch drüber schreiben.
Schlick
Schlick, der
bildet sich aus Lebendigem, zwischen etwas, meist im Wasser, manchmal in Freundschaften, Beziehungen oder danach. Wenn einer geht, bleibt beim anderen meist dieser Schlick zurück. Schmuckstücke, Briefe, eine Socke, Zahnpastaspritzer am Spiegel, Erinnerungen an Gespräche, Erinnerungen an nicht geführte Gespräche, Reue, Restliebe, Restwut und dieser eigenartige Geruch. Wenn man all das aus seinem Leben entfernt, wenn man jede Ecke seiner Wohnung, jede Ecke seines Gehirns fein säuberlich putzt, bleibt dennoch etwas zurück. Lebendiges lässt sich nicht wegwischen, Erlebtes schon gar nicht. Manchmal ist es einfacher alles in Kisten zu packen, große und kleine, beklebte, beschriftete, kaputte, mehrfach verwendete und neue unbenutzte. Kisten kann man gut stapeln, zum Beispiel in eine Ecke oder dem Dachboden, wenn man einen hat. Dann braucht man nur noch das Glück, dass genug Zeit vergeht, bis man sie aus Versehen öffnet.
Zeit, die
heilt nach einem Sprichwort alle Wunden. Außer die Lebendigen. Es gibt solche, die wachsen, weil sie aus Krankheit entstehen und solche die nicht verheilen, weil man sie nicht lässt. Die Zeit heilt dann nicht die Wunden, aber sie verschwinden irgendwann von selbst. Meist mit dem eigenen Ableben. Das interessante ist ja, dass dieses ominöse Ableben, das Nicht-Mehr-Sein, das Wort mit S, was niemand hören möchte, wieder neue Wunden reißt. Bei jemand anderem und der hat dann den Schlick im Stübchen.
Ich finde es nicht leicht, dazu was zu sagen. Klar beschäftigt es dich 🤔, logisch, wie auch nicht.
Tut mir leid, ich wate seit ein paar Wochen auch im Schlick und warte, bis er trocknet und ich bisschen weniger fassungslos bin. Das ist … komplex.
Danke für deine Gedanken. 🧡
Mittagskaffeegrüße 😏☁️☕🍪👍
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Komplex trifft es sehr gut. Danke.
Mittagslimogrüße zurück.
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Das Wort mit S interpretiere ich mal und spreche es aus, ist wohl Selbstmord.
Ich kenne aus meinem persönlichen Umfeld drei solcher Fälle.
Der erste: der Vater unseres ehemaligen Schwagers hat sich im Dachboden aufgehängt. Lange bevor wir seinen Sohn kannten. Wir waren in dem Sinne nur betroffen, weil wir dachten: hoffentlich macht der Schwager so etwas nicht auch einmal.
Der zweite Fall: in der weiteren Bekanntschaft gab es ein Ehepaar, wo der Mann so im 2-3 Wochen-Rhythmus sich ein Seil um den Hals gehängt hat, auf einen Stuhl gestiegen ist und dann gedroht hat: ich bring mich um, wenn nicht ….. Eines Tages hat er wieder gedroht, die Frau hat gesagt: kennen wir schon und dann ist er beim Versuch, vom Stuhl herab zu klettern abgerutscht. Das war es dann. Und alle sagten: das hat er jetzt davon.
Dritter Fall: ein enger Freund von uns, den wir über viele Jahre kannten. Hat sich ebenfalls erhängt. Bis heute weiß keiner – auch seine Familie nicht – warum. Es ist jetzt schon über 10 Jahre her, trotzdem fragt man sich immer wieder, wenn man durch den Nachbarort fährt, wo er gewohnt hat, warum haben wir alle das nicht bemerkt, keine Zeichen gesehen. Und wenn: hätten wir wirklich etwas ändern können?
Die Gedanken und Fragen bleiben halt und kommen immer mal wieder an den Tag.
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Ehrlich gesagt sollte das S für Sterben stehen. Ich finde Tod irgendwie weniger schlimm als sterben. Im Falle meiner Freundin hat man irgendwann gesehen, dass sie am Sterben ist (nach der 3ten Chemo) und das fand ich fast noch schlimmer, als das jetzt. Sry wollte mit dem S nicht verwirren.
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Ja, traurig. Ich dachte bei dem S auch an Sterben. 😦
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Meine Erfahrung ist, dass allein die Zeit niemals die Wunden heilt. Sie kann die Distanz zum Erlebten vergrößern und damit helfen, damit umzugehen. Aber eine wahre Heilung schafft sie nicht. Vielleicht soll das auch so sein, weil alles mit allem verbunden ist und damit alles mit allem verbunden bleibt. Vielleicht müssen wir lernen, mit den Wunden denn Lebens zu leben.
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Wahrscheinlich. Ist aber gar nicht so einfach.
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Worte, die mich sehr angerührt haben und die ich nun schon mehrfach gelesen habe.
Zwei Dinge fallen mir dazu ein.
Wunden heilen, aber es bleiben Narben zurück, empfindliche Stellen, manchmal wetterfühlig.
Und manchmal findet man im Schlick einen Stein oder eine Muschel, die man in die Tasche steckt und bei Bedarf die Finger um sie schließt
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Ein schöner Gedanke. 🙂
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