Die kleine Schraube | abc.etüden

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 19-23 beinhaltet die Worte „Stellschraube, leutselig, integrieren“, gesponsert von Christiane selbst.

Habe mich heute tierisch aufgeregt und wollte eine Geschichte mit Genugtuungsmoment schreiben.

Die kleine Schraube

Henri lachte als sein Onkel stolperte und ihm die Gläser mit einem lauten Klirren auf den Boden fielen. Zum Glück sah niemand seiner Verwandten sein schadenfrohes Gesicht. Sie waren zu sehr damit beschäftigt Henris Onkel zu helfen und sich bei ihm einzuschmeicheln. Onkel Heinz war das Oberhaupt der Familie und das nur, weil er steinreich war. Er hatte nach seiner Lehre als Mechaniker irgendeine besondere Art Stellschraube erfunden, oder die Erfindung geklaut, wie Henri wusste, und hatte ein Schraubenimperium gegründet.

Henri hasste seinen Onkel. Die Leute beschrieben ihn als gesellig und sozial, als leutselig, gutmütig und vieles mehr, was er zumindest auf den ersten Blick zu sein schien, bis man etwas tat, was ihm gegen den Strich ging. Dann landete man auf seiner Feindesliste, auf der Henri letzten Monat auch gelandet war, als er sich bei einem Praktikum in der Firma seines Onkels nicht hatte als Schwulette beschimpfen lassen. Das Ganze war sogar in der Lokalpresse gelandet, doch irgendwie hatte sein Onkel es geschafft, ihn als jemanden darzustellen, der sich nicht hatte integrieren wollen, jemanden, der seine Kollegen und Kolleginnen so lange auf der Nase herumgetanzt war, dass die ausfallend geworden waren. Seine Firma war nie schuld, Heinz war nie schuld. Auch jetzt nicht. Henris Mutter lief weinend an Henri vorbei, nachdem ihr Bruder, sie als dumme Hausfrau bezeichnet hatte, weil wohl eine Falte im Teppich gewesen war, der zu seinem Sturz geführt hatte.

Henri folgte seine Mutter ins Schlafzimmer und reichte ihr einen USB-Stick.

„Was ist das?“, fragte sie schluchzend.

„Der Beweis, dass du die Schraube erfunden hast. Habe ich in Onkel Heinz Büro gefunden, als ich da putzen sollte, weil Schwule ja wie Frauen sind und gut putzen können. Nun ja, weißt du was wir auch besonders gut können?“ Henri grinste seine Mutter an. „Passwörter knacken.“

Versteckt | abc.etüden

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 14-18 beinhaltet die Worte „Nestbau, tanzen, frostig“, gesponsert von Anna Lena.

Versteckt

Ein dunkelblaues war unter der Treppe versteckt, im Schatten der Stufe direkt an der Wand. Wenn jemand die alte Holztreppe hinaufging, tanzte es im Beat der Schritte.

Ein rosafarbenes mit gelben Punkten lag auf einem Stuhl, der unter den Esstisch geschoben worden war. Es hoffte, entdeckt zu werden, bevor sich jemand daraufsetzte.

Ein orange-rot-gestreiftes lag zwischen den Kuscheltieren. Der braune Teddy verbarg es mit seiner riesigen Tatze. Von der Seite stubbste der Schnabel einer Plüschente daran.

Ein gelbes lag im Garten unterm Rosenbusch. Im Schatten war es besonders frostig. Sein Inneres begann zu frieren, die Schale sah so aus, als hätte sie bereits Gänsehaut.

Ein besonders buntes lag auf der Hollywood-Schaukel. Es war mit Farbresten bemalt worden und tarnte sich gut auf dem Kissen mit Dschungelprint, auf dem es lag.

Ein gelbes war im Amselnest versteckt. Das Amselweibchen betrachtete es verwirrt und fragte sich, was beim Nestbau schiefgelaufen war.

Ein goldenes lag bereits in Kinderhänden. Nach eingehender Betrachtung wurde es in den Korb gelegt. Fünf weitere sollten folgen. Eines wurde nicht wiedergefunden. Vielleicht nächstes Jahr.

Scheiß drauf | abc.etüden

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 10-13 beinhaltet die Worte „Schnitt, rot, beherrschen“, gesponsert von Werner Kastens.

Ich mag übrigens Dichterlesungen und Art-House-Filme sehr gerne. Bei experimentellem Theater brauche ich es aber auch nicht nackt. 😉

Scheiß drauf

Ruth rollte genervt mit den Augen. Schon wieder stand sie vor einem Gebäude, in dem eine Veranstaltung lief, die sie nicht interessierte. Diesmal war es ein experimentelles Theaterstück, in dem alle nackt waren und plattdeutsch sprachen. Es gab Leute, die so etwas mochten, aber sie würde kein Wort verstehen, peinlich berührt sein und hoffen, dass die Zeit verstrich. Da sie eine erfolgreiche Kuratorin war, vermutete jeder, sie würde auf Art House-Filme, Dichterlesungen und experimentelles Theater stehen. Selbst ihre Mutter, die ihr die Eintrittskarten geschenkt, aber nicht mal selbst Lust hatte, sich so einen Senf anzusehen.

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Die Schneiderin | abc.etüden

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 6-9 beinhaltet die Worte „Schnitt, rot, beherrschen“, gesponsert von Myriade.

Die Schneiderin

Vor der Schneiderin sitzt eine junge Frau, die von Verzweiflung beherrscht wird. Tränen, die kein Taschentuch stoppen kann, rennen ihr in Strömen die Wange runter. Die Schneiderin stellt eine heiße Tasse Zitronentee auf das kleine Tischchen, dass zwischen ihren beiden Sesseln steht. Eigentlich ist es für sowas wie Nüsse beim abendlichen Lesen gedacht, aber tagsüber, ist es da, um ihren Besuchern etwas zu tun zu geben. Manchmal tut es gut, etwas in der Hand zu haben, dass man hinstellen und dann wiederaufnehmen kann. Ab und an serviert die Schneiderin auch Plätzchen, aber bei dem Anliegen der jungen Frau hilft kein Zucker.

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Wintervögel | abc.etüden

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 2 + 3 beinhaltet die Worte „Fluchtsieger, füttern, wunderbar, gesponsert von Ludwig Zeidler.

Gottlieb stand am Fenster und beobachtete die Vögel. Es waren wenige geworden über die Jahre. Gerade speisten nur eine Blaumeise und ein Grünling nebeneinander. Früher hatten um die Uhrzeit bestimmt fünfzehn seiner gefiederten Freunde dort gesessen – Buchfinken, Amseln, Blaumeisen, die ganze Palette an Wintervögeln. Er seufzte. Selbst wenn es nur noch ein Wintervogel wäre, er würde unermüdlichen weiterfüttern. Zum einen fand er den Anblick der Vögel wunderbar, zum anderen glaubte er, dass jeder noch so kleine Beitrag zum Tierschutz ein sinnvoller Beitrag war.

Wie immer holte er sich einen Tee. Als er wieder ans Fenster trat, hatte ein Taube die Blaumeise und den Grünling verscheucht. Natürlich hatten alle Tiere ihre Daseinsberechtigung, aber Tauben nervten ihn. Sie waren die unfairen Fluchtsieger. Ohne die anderen Wintervögel hatten sie so viel Nahrung, dass sie noch fetter wurden und sich noch mehr verbreiteten. Mehr als davonjagen konnte er sie auch nicht. Gottlieb stieß das Fenster auf und rief „Ksch ksch“. Aufgeschreckt flogen die Tauben davon. Hoffentlich kamen jetzt die anderen Wintervögel wieder, sicherlich aber nicht bevor sein Tee kalt wurde.

Gottlieb warf noch einen Blick auf sein mit Liebe gefertigtes Vogelhäuschen, dann setzte er sich vor den Fernseher. Eine Dokumentation über Vögel in Brasilien lief. Vielleicht sollte er auswandern, aber wer fütterte dann seine Vögel?

Kinder wie Lu | abc.etüde

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 46 + 47 beinhaltet die Worte „Rolle, halbherzig, belohnen, gesponsert von blaupause7.

Ich rege mich derzeit gerne über Kinderbücher auf. Selbst solche, die wir gerne lesen, gehen mir mit den stereotypischen Darstellungen einfach auf die Nerven.

Kinder wie Lu

Als Max sieben Jahre alt war, stellte er erschrocken fest, dass das Kind in seinem Lieblingsbuch ein Mädchen war. Bisher hatten seine Eltern immer behauptet, dass das Kind sowohl ein Junge als auch ein Mädchen sein konnte, je nachdem wer das Buch las, denn Bücher wurden erst beim Lesen zum Leben erweckt, behaupteten sie. Nun, wo er selbst lesen konnte, sah er, dass direkt auf Seite eins nicht „Kind“ sondern „Mädchen“ stand. SIE hieß auch nicht „Lu“ sondern „Luise“. Max war sauer, bisher hatte er immer wie das Kind aus dem Buch sein wollen, so kreativ und selbstbewusst. Lu malte sich sie Welt selbst mit einem großen bunten Stift, der je nach Stimmung die Farbe wechselte, daher hatte Max immer selbst Malen wollen. Jetzt wollte er nicht mehr Malen, das war anscheinend Mädchensache.

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Genie | abc.etüden

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 42 + 43 beinhaltet die Worte „Billard, aktuell, gestalten, gesponsert von Allerlei Gedanken.

Genie

Wie Puppen ließ er sie über die Bühne tanzen, wie Billardkugeln über den Pooltisch wandern. Die Menschen merkten nicht wie sie manipuliert wurden, bis es zu spät war. Er war ein Genie und verbarg es so gut, sodass er nie verdächtigt wurde. Etwas komisch fanden ihn die meisten. Seine Sprache war nicht altersangemessen und er beobachtete lieber, als selbst Konversationen zu führen. Sie schoben es darauf, dass seine Eltern ihn erst so spät bekommen hatten, aber für ihn war es eine Lebenseinstellung, etwas, dass er bewusst gewählt hatte. Er wollte sich abheben, zeigen, dass er mit dem gemeinen Pöbel nichts zu tun hatte.

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strohballen | abc.etüden

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 40 + 41 beinhaltet die Worte „zeitlupe behäbig verprassengesponsert von Werner Kastens.

Ich bin zu spät. Wollte das eigentlich Gestern noch veröffentlichen, aber dann war ich müdedoof (Kind ist wieder krank) und hab es schlicht vergessen.

strohballen

behäbig rollen die strohballen durch die
regalreihen. wie in zeitlupe sammeln sie
den nötigsten staub, rubbeln den obersten
glanz ab. es war einmal. da haben sie alles
verschüttet. etwas rollte in ritzen, bisschen
mehr in taschen, einiges in tresore. nur der
rest wurde eingesammelt. dasselbe lied
nochmal? dasselbe lied nochmal. heute ist
man müde. man rollt ängstlich herum und
hat angst nass zu werden. dabei brennt das stroh.
verprasst wurde lange nichts mehr. niemand.

Speziell | abc.etüden

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 38 + 39 beinhaltet die Worte „Regentonne, schwanken, sensibel“, gesponsert von nellindreams.

Speziell

Toms Klassenkameraden nannten ihn langweilig und eine Heulsuse. Seine Eltern sagten, er sei ein Träumer und sensibel, meinten damit aber dasselbe nur schöner formuliert. Das hätte er sicher von seiner Oma, die er nur ein paar Mal gesehen hatte, da sie selten zu Familientreffen kam. Wenn seine Eltern von ihr sprachen, nannten sie sie immer „speziell“. Erst kürzlich hatte Tom erfahren, dass das nicht immer nett gemeint war. Speziell konnte auch andersartig oder befremdlich heißen. Wenn er wie seine Großmutter war, fanden ihn andere dann auch befremdlich?

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Zuviel | abc.etüden

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 36 + 37 beinhaltet die Worte „Brechreiz, anschmiegsam, buchstabieren“, gesponsert von Ludwig Zeidler

Ich habe einen sehr guten Kurzfilm über Gaslighting gesehen und kam so auf das Thema.

Zuviel

„Soll ich dir das etwa buchstabieren?“ schrie er.

Sie zuckte nicht einmal mehr zusammen. Die Frage stellte er immer, wenn sie etwas Dummes getan hatte. Seine Art sie zu erniedrigen, das wusste sie. Meistens. Manchmal glaubte sie ihm. Ihr wurde etwas schwindelig, trotzdem holte sie den Staubsauger und entfernte die Krümel, die nur er unter seinem Schreibtisch sah. Als sie sich bückte, um zu kontrollieren, ob nun alles sauber war, wurde ihr übel, aber sie ignorierte das Gefühl.

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