Das Nachtlicht | abc.etüden

Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 45 + 46 beinhaltet die Worte „Nachtlicht“, „liebllich“ und „teilen“, gesponsert von Gedankenflut.

Das Nachtlicht

Die Bank am Rande des Parks war unbequem, aber das kümmerte ihn nicht. Besser als auf der Couch zu sitzen und sich Vorwürfe anzuhören. Er sippte an dem lieblichen Wein, ließ ihn in seinem Mund kreisen und schluckte ihn dann herunter. Das hatte er bei einer Weinprobe gelernt. Er war sich nicht sicher, was es brachte, aber er fühlte sich dadurch kultureller.

Er sah zu dem Fenster ihrer Wohnung hoch. In jedem bis auf einem Zimmer brannte das Licht. Was sie wohl gerade machte? Seine Sachen packen? Ihre?

Er nahm einen weiteren Schluck und ließ ihn noch länger in seinem Mund kreisen. Ein schwaches Licht in dem unbeleuchteten Zimmer ging an. Sein Sohn war wohl aufgewacht. Ob er etwas mitbekommen hatte? Das Licht im Zimmer seines Sohns flackerte, dann flog es auf ihn zu. Langsam schwebte das Leuchten in Richtung des Parks, machte eine Pirouette um einen der Bäume und schwebte schließlich zu ihm. Das Nachtlicht seines Sohnes in Form eines kleinen Elefanten zitterte als es vor ihm hielt. Er fragte sich, ob das Glas Wein Schuld war oder das schlechte Gewissen.

„Geh weg“, sagte er zu dem Licht, doch es blieb an Ort und Stelle. Er ging eine Bank weiter. Das Licht folgte ihm. Genervt warf er das Glas nach dem kleinen leuchtenden Elefanten, doch er wich aus, nur um anschließend wieder vor ihm zu schweben.

Er stand auf. „Ok. Verstanden. Ein Leben teilen, heißt es auch Kummer zu teilen und wissen wann man zwar Recht hat, aber im Unrecht ist.“ Er zuckte mit den Schultern, dann ging er nach Hause. Das kleine Nachtlicht flog ein Stück hinter ihm her, dann schwebte es das Haus hinauf.

Als er später nach seinem Sohn sah, steckte es in der Steckdose, als hätte es sich nie woanders befunden.

15 Kommentare zu „Das Nachtlicht | abc.etüden

  1. „Er fühlte sich kultureller“ finde ich großartig. 😉
    Ach ja. Wo ist die Bereitschaft hin, tief durchzuatmen, „Sorry“ zu sagen und das Gespräch wiederaufzunehmen – in dem Bewusstsein, dass man es für jemand anders tut, der nichts dafür kann. Es kommt mir vor, als würde das immer weniger.
    (Es ist noch zu früh für einen Namen, oder? ;-))
    Abendgrüße 😀

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