Gespräche mit Rüdiger – Wert| abc.etüden

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Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 12+13 beinhaltet die Worte „Sonnenuntergang“, „warm“ und „fliegen“, gesponsert von Elke H. Speidel.

Noch kann ich raus, aber das Damokles-Schwert schwebt schon irgendwie über uns. Ich bin trotzdem optimistisch und habe das genutzt in einer Etüde zu verwursten.

Gespräche mit Rüdiger – Der Wert von Dingen

„Sei froh, dass du raus kannst.“

„Da solltest du eher froh sein. Wenn du mich einsperren würdest, würde ich es wie Hektor machen.“

„Hektor? Die Katze von der Nachbarin, die ihr immer ins Bett kackt.“

Rüdiger kniff die Augen zusammen, dann ließ er sich elegant auf den kühlen Boden fließen. Ich seufzte und zweifelte keine Sekunde daran, dass er das tun würde. Freigänger ließen sich nicht einsperren.

„Mal schauen, wie das ankommt, wenn ich der Bundeskanzlerin ins Bett kacke….Ich bin jedenfalls neidisch.“

„Na immerhin erfrierst du nicht. Nächste Woche soll es kalt werden.“

„Ich kann mich wärmer anziehen, aber das Spaziergehen werde ich vermissen. Die ersten Blumen zu sehen – Maiglöckchen, Krokusse, Forsythien…Da merkt man erst, was man sonst nicht zu schätzen weiß.“

„Ihr Menschen seid manchmal echt lächerlich. Lasst doch die paar Schwachen sterben und gut ist. Im Straßenverkehr interessiert euch das doch auch nicht.“ Rüdiger jagte mir eine Kralle in den Fuß, als ich meine Augen rollte. Das Thema hatten wir schon oft. „Na dann nicht, dann beschwer dich nicht.“

„Ich beschwer mich nicht, ich stelle nur fest, dass man Dinge erst zu schätzen weiß, wenn sie weg sind.“

„Bei mir nicht. Ich weiß eine gute Rückenmassage jederzeit zu schätze.“ Rüdiger wälzte sich in Stellung und ich kraulte seinen Rücken.

„Also genießt du jede Sekunde?“

„Klar. Mein Leben ist fantastisch. Fressen, schlafen, spielen, Vögel jagen…was ich nicht habe, interessiert mich herzlich wenig.“

„Außer wenn der Napf leer ist, hn?“

Ich stand auf und ging zu meinem Whitboard und schrieb: „Dinge, die ich genieße: Spazieren gehen“.

„Wäre es nicht schlauer aufzuschreiben, was du gerade genießen kannst, statt was du könntest, wenn es gerade anders wäre?“

Ich fing neu an. „Dinge, die ich genieße: Einen ruhigen Morgen, Netflix-Serien durchsehen, lesen, Rüdiger ärgern….“

„Ey.“

12 Kommentare zu „Gespräche mit Rüdiger – Wert| abc.etüden

  1. Na, bis auf Weiteres dürfen wir ja spazieren gehen, laut neuesten Verlautbarungen, wenn auch maximal zu zweit *freu*.
    Ich mag deinen coolen Besserwisser wirklich. Außer natürlich, er würde MIR ins Bett kacken. Also absichtlich.
    Liebe Grüße
    Christiane 😀

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    1. Bezog sich auch eher auf meine Angst in Quarantäne gesteckt zu werden. Gab erste Fälle in nahem Umfeld, aber noch darf ich raus.
      Ich mag ihn auch. Zum Glück hatte ich noch nie eine Katze, die aus Trotz in mein Bett gemacht hat…nur einmal weil sie was Falsches gegessen hat *seufz*

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  2. „was du gerade genießen kannst, statt was du könntest, wenn es gerade anders wäre“ – sollte man sich öfters vor Augen halten, nicht nur in einer umfassenden Krise, sondern auch bei den vielen kleinen Alltagsmäkeleien, in denen mensch sich so gern verliert.

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  3. Ich hänge, wie so viele, im Home-Office. Auf dem Parkett in der Sonne liegen ist nicht. Und leider habe ich keine geistreiche Katze dabei.
    Aber aus Gründen vermute ich, dass es nun vermehrt Gespräche mit Rüdiger geben wird (falls er sich denn mal vom Spaziergang zurückbemüht).
    Bin freudig gespannt.

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    1. Home Office habe ich leider nicht, aber ich bin fast in Quarantäne gelandet, was diese Etüde triggerte. 😅 Mal sehn wie sich Rüdiger blicken lässt. Ich schreibe gerne über ihn, aber will es auch nicht erzwingen.

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