
Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 38 + 39 beinhaltet die Worte „Regentonne, schwanken, sensibel“, gesponsert von nellindreams.
Speziell
Toms Klassenkameraden nannten ihn langweilig und eine Heulsuse. Seine Eltern sagten, er sei ein Träumer und sensibel, meinten damit aber dasselbe nur schöner formuliert. Das hätte er sicher von seiner Oma, die er nur ein paar Mal gesehen hatte, da sie selten zu Familientreffen kam. Wenn seine Eltern von ihr sprachen, nannten sie sie immer „speziell“. Erst kürzlich hatte Tom erfahren, dass das nicht immer nett gemeint war. Speziell konnte auch andersartig oder befremdlich heißen. Wenn er wie seine Großmutter war, fanden ihn andere dann auch befremdlich?
Als sein Onkel heiratete, beschloss Tom seine Oma besser kennenzulernen. Das war gar nicht so einfach, denn nach dem Kuchen-Buffet war sie in dem Park des Schlosses, in der die Hochzeit stattfand, verschwunden. Durch Zufall, weil der Ball, mit dem er und seine Cousine spielten, zu weit flog, erspähte er sie alleine bei der Regentonne stehend. Tom beobachtete sie eine Weile. Sie schwankte hin und her. Vielleicht war sie betrunken? Tom ging trotzdem näher.
Als seine Oma ihn bemerkte, legte sie die Finger auf die Lippe und zeigte in den Busch hinter der Regentonne. Dort sah Tom ein Vogelnest mit Küken, die gerade von ihren Eltern gefüttert wurden. Sie flatterten hin und her.
„Das ist spannender als das oberflächliche Gerede der Anderen“, flüsterte sie und zwinkerte ihm zu.
Tom verbrachte den Rest des Tages mit seiner Oma und erkundete den Garten und das Schloss. Sie sahen in Ecken, die ihm niemals alleine aufgefallen waren und er erfuhr eine Menge über alle möglichen Dinge. Als sie sich verabschiedeten, weil er ins Bett musste, nahm er all seinen Mut zusammen.
„Ich glaube du bist besonders und nicht befremdlich“, sagte er leise und drückte sie zum Abschied
Seine Oma lächelte. „Du auch.“
Befremdlich ist ein feines Wort. Aber nicht gut finde ich, dass „sensibel“ überwiegend negativ wahrgenommen wird – oder täuscht das?
Feine Etüde, ich wäre ganz sicher auch in den Park geflohen … 😉
Vormittagskaffeegrüße ⛅🌻☕🍪👍
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Finde ich auch eigenartig, dass sensibel so negativ belegt ist. Viel wahrzunehmen, empathisch zu sein ist ja etwas sehr Positives.
Danke. 😇
Mittagsautobahngrüße zurück.
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‚Schade, dass sich viele oft so schwer tun mit besonderen Menschen. 😊👍
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Finde ich auch, dabei gäbe es ohne besondere Menschen sicher viel weniger Kunst auf der Welt.
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Schön für ein Kind so eine Oma zu haben
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Omas sind meist etwas magisch aus Kindersicht. 😅😇
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Wunderschöne Etüde! Sensibel berührend – danke dir!
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Danke. 😇❤️
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Ich glaube, dass Dein Sohn gar nicht so weit suchen muss, um etwas Besonderes zu finden!
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☺️😇
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So schön.
Und ja, auch mir ist bewusst, dass sensibel einen negativen Touch hat – und nicht erst heute (da wurde mir als Kind und Jugendliche immer wieder gesagt, ich solle mich abhärten, sonst käme ich nie im Leben zu recht).
Liebe Grüße
Judith
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Eigentlich müsste man immer eine Liste berühmter sensibler Personen zur Hand haben, um die Leute Lüge zu strafen.
Danke. 😇
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Da hast du recht – bei Gelegenheit fange ich mal an zu sammeln.
Danke dir.
Schönen Abend wünsche ich
Judith
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Ja, sensibel hat leider in der Wahrnehmung der meisten einen negativen Touch. „Sei nicht so sensibel!“ Oder gar „So ein Sensibelchen!“
Im therapeutischen Kontext wird – vielleicht auch daher – oft und wertfrei von „sensitiven Menschen“ gesprochen.
Liebe Grüße
Und nochmals Glückwunsch zum Buch.
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Sensitive Menschen klingt besser. Ich mag auch den Ausdruck „gefühlsstark“.
😇 Danke nochmal. 😅
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