Das Twitter-Toleranz-Paradoxon | Gedankenkritzelei

Da es mir bei Schwangere/Mama Gedanken Spaß gemacht hat, einfach mal etwas zu einem Thema zu schreiben, ohne dass es eine Geschichte oder ein Gedicht ist, das Thema „Kind“ aber nur endlich ist, dachte ich, ich eröffne eine neue Rubrik und schreibe einmal pro Woche meine Gedanken auf. Wie persönlich das Ganze wird, keine Ahnung, mal sehen wie mutig ich bin.

Das Twitter-Toleranz-Paradoxon

Da mein Twitter-Account mittlerweile eine größere Reichweite hat, merke ich, dass ich dadurch auch Neinsager, Trolle, Intollerante und auch einfach Leute anziehen, die eine andere Meinung haben als ich. Die ersten drei Typen von Mensch, blocke ich sofort und mit dem letzten Typ versuche ich zu diskutieren, soweit das auf Twitter möglich ist. Manchmal erkenne ich auch erst im Laufe des Diskurses, das mein Gesprächspartner doch eher Typ „intolerant“ oder Troll ist, dann breche ich das Gespräch ggf. ab und blocke.

Aber sollte man intolerante Menschen einfach blocken, ohne ihre Motive zu kennen?

Das erinnert mich an das Toleranz-Paradoxon von Karl Popper. Nun bin ich kein Staat und Popper kannte Twitter nicht, aber das Problem lässt sich mit etwas freier Interpretation auch aufs Kleine ausweiten. Nach Popper sind intolerante Menschen, solche die einen rationalen Diskurs verweigern und/oder zur Gewalt aufrufen. Letzteres kann man auch auf Beleidigungen ausweiten, was irgendwie auch eine Form von Gewalt ist. Nun die Frage, warum diese Menschen intolerant sind. Laut Popper entweder, weil sie den „Sitten und Gebräuchen“ fremd sind oder weil sie intolerant und gefährlich sind. Das ist eine schwierige Abgrenzung. Mit dem ersten Fall könnte man schließlich ein Gespräch führen, auch wenn sie den Diskurs verweigern, steht er nicht im luftleeren Raum.

Nur falls hier jemand denkt, es ginge mir um die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Nein! Aber ich räume mir auch eine Nichtzuhörfreiheit ein.

An der Stelle müsste ich die Frage nach dem Mehrgewinn stellen. Kann ich über Twitter jemanden davon überzeugen tolerant zu werden? Wahrscheinlich nicht, vor allem wenn der Diskurs verweigert wird. Einen Anspruch niedriger: Ist es schädlich für den Gesamtdiskurs, Leute davon auszuschließen und sie damit nur in einen kleinen Kreis aus Leuten, die ebenso intolerant sind, zu bannen? Am Ende gibt es dann einen Raum für Tolerante und Intolerante mit einer Tür die mehrfach verriegelt ist und ein Guckloch zum Lästern hat. Finde ich persönlich ein frustrierendes Bild des menschlichen Miteinanders, vor allem weil der Raum nur Twitter betrifft. Außerhalb des Internets kann ich intolerante Menschen schlecht ausblenden.

Wenn ich Intoleranz zulasse, habe ich aber das Typenproblem, das durch die Twitterkommunikation nochmals verschärft wird. Das ist es mir vorerst nicht wert. Es ist wesentlich entspannter und weniger deprimierend zu blocken und trotzdem irgendwie unbefriedigend, das ich Intoleranz einfach so stehenlasse.

16 Kommentare zu „Das Twitter-Toleranz-Paradoxon | Gedankenkritzelei

  1. Blocken, blocken und nochmal blocken. Dieser spezies kommt man nicht nahe. Die lassen keinerlei Argumente außer ihren eigenen gelten. Zudem verfallen sie in weltfremde Fantasien und glauben, man könne ihnen nichts.

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      1. Ich kann deine Gedanken schon nachvollziehen aber diese Trolle etc. haben gar kein Interesse eine vernünftige Unterhaltung zu führen. Spätestens nach 3 – 5 min wird man persönlich und nicht mehr sachlich reden.

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      2. Das ist ja irgendwie das Problem bei Twitter. Im realen Leben ist es einfacher. Dafür hat man aber auf Twitter eine weitere Reichweite. Ich finde es schwierig. Am Ende ist mir aber mein mentaler Status wichtiger als die Diskussion. 🙃

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  2. „Nur falls hier jemand denkt, es ginge mir um die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Nein! Aber ich räume mir auch eine Nichtzuhörfreiheit ein“. Dies ist aus dem obigen Beitrag zu Twitter zitiert, den ich gelesen, hier und jetzt kommentiere:

    Oft räume ich mir zudem sowohl die NichtMitzulesen – als auch immer nicht MitzuSchreibenfreiheit und das schlichte Unterlassen von Kommentaren und Kommentieren – ein: SOWIE nicht immer sofort auf alles & jede:s oder jede:n zu reagieren. An diesen Stellen muss ich nämlich gar nicht die Frage nach dem Mehrgewinn stellen, sondern eher, weshalb es ärgert, nervt oder in unangenehme Unruhe versetzt und mich zum Schreiben motiviert? Fragen, die ich mir sowieso viel zu selten stelle, sobald ich zu schreiben beginne und anfange. Denn was hätte ich zu gewinnen: ausser der Kommunikation mit Bekanntem und Unbekannten?! Und wie Twitter funktioniert, dies weiss ich bis heute wirklich kaum … und sorry, bin nun doch schon seit Jahren dabei, welches keine Kompetenz, doch der Ausdruck von Freiheit und Selbstbestimmung sowie sozialer Beziehungen und Bindungen ist. Doch eines ist mir zumindest bewusst, dass ich weder über Twitter noch WordPress oder auf der Strasse jemanden davon überzeugen möchte: tolerant oder toleranter zu werden?! Denn wer hätte mir hierzu den Auftrag oder sogenannten Bildungsauftrag erteilt?

    Wieso sollte ich dies tun?

    Woher sollte ich das Recht, die Verordnung oder die moralische Handlungsempfehlungen nehmen: die Toleranz für die Zugangsberechtigung zu diesem Kurznachrichtendienst Twitter zu beurteilen?!

    Toleranz in der Kommunikation …
    Toleranz im Umgang mit den 280 Zeichen an Foto, GIFs, Videos und Text?

    „Wahrscheinlich nicht, vor allem wenn der Diskurs ((wessen Diskurs, Anmerkung der KommentarSchreibenden)) verweigert wird. Einen Anspruch niedriger (( was ist ein niedriger, welches ein höherer, Anmerkung der KommentarSchreibenden ))
    Ist es schädlich für den Gesamtdiskurs, Leute ((Wer sind diese Leute oder Leutchen, Anmerkung der KommentarSchreibenden)), die
    davon auszuschließen und sie damit nur in einen kleinen Kreis aus Leuten, die ebenso intolerant sind, zu bannen? Am Ende gibt es dann einen Raum für Tolerante und Intolerante mit einer Tür die mehrfach verriegelt ist und ein Guckloch zum Lästern hat. ((Habe bereits durch das Gucklock von Marcel Duchamps Tür gesehen, Anmerkung der KommentarSchreibenden)). Finde ich persönlich ein frustrierendes Bild des menschlichen Miteinanders, vor allem weil der Raum nur Twitter betrifft. ((Weshalb nur Twitter?)) Außerhalb des Internets kann ich intolerante Menschen schlecht ausblenden. Wenn ich Intoleranz zulasse, habe ich aber das Typenproblem ((was ist das für ein Problem? Frage der Kommentarschreibenden)) das durch die Twitterkommunikation nochmals verschärft wird. Das ist es mir vorerst nicht wert. Es ist wesentlich entspannter und weniger deprimierend zu blocken und trotzdem irgendwie unbefriedigend, das ich Intoleranz einfach so stehenlasse.“

    In diesen Zusammenhängen interessiert konkret: woran du Intoleranz erkennst, bewertest und beurteilst?

    Nicht falsch verstehen: zu blocken ist jederzeit erlaubt

    GENAUSO, wie wegsehen, wegdrehen und übersehen oder über die Füsse und ausgestreckten Beine der Person zu steigen, die auf dem Bürgersteig oder unter der Brücke liegt – in Paris, Berlin oder sonst wo auf dieser Erde

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    1. Einiges ist ja durchaus einfach als Intoleranz zu erkennen. Die Definition von Popper, der auch die Typen definiert hat, finde ich ganz griffig. Klar, gibt es niemanden, der mir die Aufgabe erteilt, gegen Intoleranz abzugehen, aber ich weiß eben nicht, ob wegschauen richtig ist. Mache ich in der Realität auch nicht. Ich steige nie über die ausgestreckten Beine einer Person, die auf dem Bürgersteig liegt. Da hat denke ich einfach jeder seinen Kompass. Ist eben die Frage, ob man das auf Twitter überhaupt kann.

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      1. @Katharina, ja einiges ist durchaus einfach als Intoleranz ersten oder zweites Grades zu erkennen, soweit es jede:r erkennen mag, da es gefährlich wird. Die Definition von Popper zu den Typen und Typisierung (1945) erscheint griffig, doch bereits der erste PUNKT: VERWEIGERUNG EINES RATIONALEN DISKURSES schafft die Differenzierung und Aufspaltung zwischen „offener Gesellschaft und ihre Feinde“. ((Und wer möchte schon gerne zu den FEINDEN der offenen Gesellschaft gehören oder dazu aktuell und in Zukunft gezählt werden?)) // 1. Intoleranz des ersten Grades: weil es fremd ist. 2. Intoleranz des zweiten Grades: weil sie gefährlich sind. // Deshalb mahnt Popper auch voraussichtlich zur Anwendung von Intoleranz im Namen der Toleranz entsprechend vorsichtig und nur im Sinn der Ultima Ratio – den letzen Lösungsweg, das letzte Mittel oder den letzten Ausweg im einem Interessenkonflikt, wenn zuvor alle sonstigen Lösungsvorschläge verworfen wurden, da keine Einigung, oder angeblich keine Einigung erzielt werden konnte. // Konsens suchen und/oder Dissens bezeugen? Dies sind die relevanten Fragen, denn durch einen öffentlichen Diskurs der rationalen Willens- und Meinungsbildung soll DEMOKRATIE auf die Grundlage der Zivilgesellschaft gestellt werden. Die dabei für die deliberative Demokratie notwendig Öffentlichkeit muss für jede:n gleichermassen zugänglich sein und darf keinerlei Restriktion unterliegen. Denn das Modell der deliberativen Demokratie setzt auf informelle Netzwerke der zivilgesellschaftlichen Assoziationen und betont die plebiszitären und basisdemokratischen Elemente. Hierbei schient es ausschlaggebend zu sein, ob es sich um demokratische oder autoritäre Formen der Willensbildung handelt, die prozedural Zustandekommen

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  3. Intoleranz. Warum werden stets andere Menschen mit diesen Makel behaftet? Alle Menschen sind irgendwie Intolerant. Und soll mir keiner kommen, dass dem nicht so wäre. Allein die Intoleranz dem Intoleranten gegenüber, aber davon sprechen ich jetzt nicht. Jeder Mensch besitzt eine oder mehrere Meinungen. Werden diese angegriffen, ist es ganz schnell vorbei mit Toleranz. Der Mensch duldet bis zu einem gewissen Punkt. Ist der erreicht, dann kommt ganz schnell die Intoleranz. Wir akzeptieren nicht mehr, was Gegenüber sagt oder schreibt. Aber wir sehen das nicht als Intoleranz unsererseits. Das Gegenüber ist der Troll. Er denkt nicht wie man selbst, also hat der keine Ahnung. Ein Troll eben. Aber wie groß ist der Troll in uns selbst? Sicher gibt es Menschen mit denen kann man nicht reden. Nicht reden über ein bestimmtes Thema. Aber geht das nicht allen so? Sicher ist die Ausdrucksweise mancher Zeitgenossen unterirdisch, aber nur weil man sich gepflegter auszudrücken vermag, heißt das nicht, das man nicht bei Zeiten selbst der Troll ist. Daher kann man Menschen ignorieren, sperren und was weiß ich. Aber wird die Welt dadurch besser? Wohl eher nicht. Nicht, wenn wir uns nicht klar machen, dass wir selbst alle Trolle sind und jeder von uns sich verbessern muss, wollen wir eine bessere Menschenwelt.

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    1. Bist du auf Twitter? 😬 Vllt ist das eine Definitionssache. Trolle sind für mich v.a. Menschen, die beleidigend werden oder sich menschenverachtend äußern. Meist melde ich die bei Twitter und blocke sie dann. Ich habe auch schon mehrere Strafanzeigen gestellt, weil es mir zu bunt wurde. Mir zB Vergewaltigung anzudrohen…So ein Verhalten ist einfach nicht in Ordnung und ich glaube auch nicht, das jeder dazu instande wäre.
      Ich trenne daher Trolle und Intolerante. Erstere darf man wirklich nicht gewähren lassen und muss sich wehren. Bei dem zweiten Fall hast du Recht. Das ist eher, was du beschreibst, wobei die Grenze zwischen andere Meinung und Intoleranz verschwommen ist. Es geht zB um Themen wie Gleichberechtigung, Selbstbestimmung oder auch Klimakatastrophe. Es gibt einige Leute, die „nach mir die Sintflut“ denken. Einige aus Unwissen andere aus Angst. Bei beiden ist es schwer ein Gespräch zu führen. Ich tendiere dazu zu sagen, dass es trotzdem wert ist, mit diesen zu sprechen. Es bedeutet aber auch, dass man selbst Zeit und Nerven „opfert“. Twitter ist aber eben nochmal etwas anderes als das reale Leben. Da diskutiere ich gerne.

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      1. Ich war eine zeitlang auf Twitter unterwegs. Geht ziemlich rau zu. Dort gibt es wohl zu viele Ideologen. Zum Teil scheinen ein paar ohne Gehirn unterwegs zu sein. Aber ich muss mich ja nicht mit jedem unterhalten. Ich finde allerdings bei Gewaltandrohung, Beleidigung usw. sprechen wir nicht mehr über Toleranz und Intoleranz. Das sind Straftaten und fallen daher nicht unter Zwischenmenschlichkeit.

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