
Dies ist ein Text zu der Aktion „Writing Friday“ von Elizzy. Jeden Freitag wird zu einem der vorgegebenen Themen veröffentlicht. Die aktuellen Themen und eine Liste aller Teilnehmer findet ihr auf Elizzy’s Seite.
Erfolgskaffee
Der Kaffee war längst kalt, als Juanita den Pinsel weglegte. Eigentlich hatte sie nur kurz einer plötzlichen Eingebung, einem Kreis im Zentrum des Bildes, folgen wollen, doch dann hatte sich der Kreis erweitert und Farbe war wie Adern über das Blatt geflossen. Immerhin hatte sie einmal vom Brötchen abgebissen und einen Schluck vom neuen Kaffee probiert. Köstlich war der eine Schluck gewesen. Jetzt war es zu spät, eine neue Tasse zu machen, aber Morgen würde sie ihm die verdiente Aufmerksamkeit schenken. Sie hatte ihn für zu viel Geld auf einem kleinen Mittelaltermarkt erstanden. Der Verkäufer hatte es als Wundermittel für Erfolg angepriesen und Juanita hatte beschlossen, dass sie das jetzt brauchte. Seit vier Monaten hatte sie nichts mehr verkauft und ihre Reserven schwanden.
Nachdem Juanita die Pinsel ausgewaschen hatte, betrachtete sie ihr Werk. Ungewöhnlich, dachte sie, gar nicht ihr Stil und doch sagte dieses Bild mehr über sie aus als ihre letzten Werke. Meist änderte sie noch am nächsten Tag etwas an ihren Bildern, doch bei diesem Bild fühlte es sich falsch an. Statt ihren Zweifeln Raum zu geben, rief sie ihren Galleristen an und ließ das Bild abholen. Schon abends rief er sie aufgeregt an. Jemand hatte das Bild für einen höheren Preis als angeboten erstanden und wollte nun weitere Bilder von ihr. Juanita machte Luftsprünge, doch als sie wieder vor der Leinwand saß, überkamen sie Zweifel. Was, wenn das nur ein Zufall war, wenn diesmal die Eingebung wegblieb? Sie biss von ihrem Frühstücksbrötchen ab, nahm einen Schluck Kaffee und schloss die Augen. Ein Farbenmeer ergoss sich in ihrem Gehirn und von dort in ihre Hände. Erst als der Kaffee wieder kalt war, stoppte sie.
Das wurde zu einem Ritual. Sie machte sich einen Kaffee, trank einen Schluck und malte bis er kalt war, dann wieder von vorne. In den nächsten Tagen malte Juanita mehrere Meisterwerke, die vom Fleck weg gekauft wurden. Mittlerweile meldeten erfolgreichere Galerien ein Interesse an und eine große Kunstausstellung fragte, ob man sie ausstellen könnte. Juanita schwebte im siebten Himmel. Bis der Kaffee leer war.
Nervös probierte sie es mit einem anderen Kaffee, doch die Eingebung blieb aus. Juanita verzweifelte nach und nach. Nirgendwo konnte sie den Händler finden. Am Wochenende reiste sie auf Mittelaltermärkte und unter der Woche probierte sie unterschiedliche Kaffeesorten aus. Sie googelte, telefonierte und schrieb Emails, doch der Wunderkaffee war nirgendwo zu bekommen.
Nach vier Wochen und vielen verärgerten Nachrichten von ihrem Galleristen brach Juanita in Tränen aus. Morgen musste das Bild für eine große Ausstellung fertig sein und sie hatte bisher nicht einen Strich auf das Papier gebracht. Es half nichts, sie musste es ohne Wunderkaffee schaffen. Juanita holte sich nach langer Zeit mal wieder ein frisches Brötchen zum Frühstück, machte sich einen anderen leckeren Kaffee aus ihrer nun beachtlichen Sammlung und setzte sich vor die Leinwand. Ein Bissen vom Brötchen ein Schluck Kaffee und sie malte darauf los, bis der angefangene Kaffee kalt war. Das Ergebnis erstaunte Juanita. Es gefiel ihr. Vielleicht war es nicht der Kaffee, der sie hatte so wundervolle Bilder malen lassen. Vielleicht war es von Anfang an das Brötchen von dem neuen Bäcker gewesen.
Wie war doch gleich die Adresse des Bäckers ?? 🙂
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Hat mir die Protagonistin leider auch nicht verraten. 😅
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Gemein von ihr 😉
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Sehr schön geschrieben mit der überraschenden Wendung –
die hat mich zum Schmunzeln gebracht 🙂
Geht mir auch manchmal so, daß ich den Grund für etwas gut Gelungenes auf eine alltägliche Sache schiebe 😉
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Danke. 😅 Manchmal ist es einfacher, an alles andere als an sich selbst zu glauben.
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Oh ja;)
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