
Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Ziel ist es 3 Worte in 300 Zeichen unterzubringen. Die Schreibeinladung für die Wochen 14 + 15 beinhaltet die Worte „Sonnenhut, haltlos, massieren“, gesponsert vom Etüdenerfinder Ludwig Zeidler und Christiane selbst.
Spontane Eingebung dank Schlaflosigkeit.
Der Geburtstag
Heute hatte sein Großvater Geburtstag und die Sonne schien. Leider half das nicht bei seinen Kopfschmerzen. Vorsichtig massierte er seine Schläfen. Wie hatte sie nur jeden Tag diesen Sonnenhut tragen können? Bereits nach wenigen Minuten fühlte sich sein Kopf wie in einer Schraubzwinge an, dabei hatte er ihn nur locker aufgesetzt. Vielleicht lag es auch and er Perücke, die er trug.
„Schau mal, der Mann läuft in Frauenklamotten rum“, hörte er ein kleines Mädchen sagen und dann ein „Pst“ von der Mutter.
Sollten sie doch alle denken, was sie wollten, er macht das schließlich nicht für andere. Er fluchte, als er mit dem Absatz der Schuhe an einem Stein hängen blieb und dann auch noch die Strümpfe rutschten. Diese halterlosen Dinger waren einfach furchtbar haltlos und unpraktisch. Frauen hatten es wirklich nicht leicht. Zum Glück waren es nur noch wenige Meter. Er sah das gelbe Haus schon. Nun strengte er sich an, legte etwas Hüftschwung in seinen Gang und rückte den Sonnenhut zurecht. Eine Schar pubertierender Jungs lief an ihm vorbei und feixten.
„Ne Transe.“
„Na Mamis Kleiderschrank geplündert?“
„Ja,“ antwortete er wahrheitsgemäß, dann ging er unbeirrt weiter. Vor dem gelben Haus schließlich machte er Halt. „Sonnenhof – Heim für Senioren“ stand über der Tür. Er mochte den Eingang. Das ganze Haus war gemütlich und wirkte nicht wie ein Altersheim, deswegen hatte seine Großmutter es auch ausgewählt, als ihr Mann durch die Demenz für sich und sie zur Gefahr wurde.
Das Fenster im zweiten Stock öffnete sich. Sein Großvater trat ans Fenster. Er warf ihm einen Handkuss zu und bekam ein Lächeln zurück, dann ging er noch zwei Häuser weiter und kehrte schließlich auf einer Nebenstraße zu seinem Auto zurück.
Es ist immer wieder bewundernswert, wie aufopferungsvoll Angehörige sich um Senioren oder von Demenz-erkrankte kümmern. Respekt!
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Neben einem fetten Grinsen geht mir das Herz auf, wenn ich das lese 😉❤️
Vielen Dank dafür, großartig! 😁
Morgenkaffeegrüße 😁⛅☕🥐👍
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Huch, ich habe den Text ganz vergessen. Den habe ich während der ersten Wehen geschrieben und gepostet. Keine 4 Stunden später, lag ich im Kreissaal. 😉
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So eine liebevolle Idee!!
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So berührend. Erinnert mich etwas an Elmar Wepper oder war es Fritz? , der in Kirschblüten (oder so ähnlich) die Sachen seiner verstorbenen Frau anzieht, um ihr die japanische Kirschblüte zu „zeigen“. Manchmal ist es einfach wichtig, die Träume der Menschen am Leben zu erhalten, selbst wenn diese schon längst gescheitert sind.
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Genau dieser Mut ist uns allen zu wünschen, und mit ihm die Überwindung der Scham. Trotzdem bin froh, dass meine Oma, damals, dement im Altenheim, mich mit ihrem Bruder verwechselte und sie keine Schwester hatte. Heute würde ich mir das zutrauen. – Und jeder sollte einmal in seinem Leben da draußen als sichtbarer Teil einer Minderheit herumlaufen – danach ändert sich die Sicht auf diese Gesellschaft. Liebe Grüße, Bernd
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Liebevoll und mutig als Tat und als Etüde eine unerwartete Umsetzung der Worte – habe ich sehr gern gelesen!
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