„Der 74ste“ | Writing Friday KW 5

* Dies ist ein Text zu der Aktion „Writing Friday“ von Elizzy. Jeden Freitag wird zu einem der vorgegebenen Themen veröffentlicht. Die Liste aller Teilnehmer findet ihr auf Elizzy’s Seite.*

Thema: Erwin, ein 74 jähriger Senior, entreißt von zu Hause – erzähle von seinem Abenteuer. (Bedenke dabei, er wird nach nur 17 Stunden wieder gefunden und nach Hause gebracht.)

Erwin hatte die Schnauze gestrichen voll. Das war sein 74ter Geburtstag. Nicht dass die letzten 73 Geburtstage alle super gewesen wäre, aber dieser war besonders furchtbar. Wenn er mit Liese zusammen oder alleine war, fühlte er sich nie alt, heute aber umso mehr.

Man hatte ihm Dinge vierfach erzählt, das Fleisch schneiden und ein Smartphone erklären wollen. Als würde er nicht ständig dieses unsägliche Candy Crush spielen. Kurz gesagt: Seine Familie hatte beschlossen, dass es mit 74 Zeit war senil zu werden. Nur Erwin war noch nicht bereit und sah das auch gar nicht ein. Also war ihm, nachdem man ihm vom Tisch hochhelfen wollte, der Kragen geplatzt.

Nun saß er im Bus Richtung Stadt. Er war überstützt gegangen, hatte noch seine Schuhe und Geldbörse geschnappt, aber seine Jacke nicht. Aber er wollte auch nicht spazieren, das machten alte Männer, er hatte da ein anderes Ziel: die große Disko im Stadtkern. Heute würde dort eine große Releaseparty stattfinden, hatten seine Enkel erzählt. Er wusste zwar nicht, was so ein Release war, aber jetzt würde er dabei sein und sich amüsieren. Auch mit 74 konnte man noch in die Disko gehen. Das würde er beweisen.

Der Türsteher schaute ihn etwas argwöhnisch an. „Wollen sie jemanden abholen?“

„Nein. Feiern.“

Der Türsteher grinste etwas verdutzt und winkte Erwin dann rein. Dieser war zunächst erschlagen von der Menge an Menschen, der lauten Musik und dem grellen Licht, das aus allen Ecken und Kanten zu strömen schien. Ein bisschen Zeit brauchte er um sich zu Orientieren. So viele Räume.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Ein junger Mann, vielleicht Ende 20, sah ihn lächelnd an.

„Wo ist die Bar mit dem besten Bier.“

„Starkes oder Mädchenbier?“

„Starkes!“ Erwin wusste nicht was Mädchenbier war, aber starkes Bier klang so, als könnte er es gebrauchen.

„Hey Jungs, ich hab jemanden für unsere Männerrunde gewonnen.“ Er drehte sich zu Erwin. „Ich heiße Lukas. Die Jungs hier sind Lars, Jonathan und ja-er-heißt-wirklich-so-Prince.“ Drei Männer, Mitte bis Ende zwanzig, nickten ihm zu.

„Guten Abend. Ich bin Erwin.“ Er war etwas verunsichert, ob die jungen Kerle ihn nicht hochnahmen, also bemühte er sich möglichst locker zu sein. „Deine Eltern sind sicher Lehrer, oder?“ sagte er an Prince gewandt. Erwin hielt nicht fiel von diesen neumodischen Namen.

Die Gruppe lachte.

„Was führt Sie denn her?“

„Du geht auch. So alt bin ich noch nicht. Ich bin heute 74 geworden.“ Lukas stieß Erwin in die Hüfte. „Na das muss ja gefeiert werde. Junge 74 Jahre. Das schreit nicht nach Bier sondern Schnaps.“
*
‚Schnaps‘ war auch das letzte, an das sich Erwin erinnerte, als er morgens aufwachte. Vor ihm standen seine Frau, seine beiden Kinder und sein ältester Enkel.
„Also Papa.“
„Pscht nicht so lauft, Ich hab

Kopfweh. Wo bin ich?“

„Das ist die Wohnung von einem Lukas. Ihr seid wohl Blutsbrüder. Zumindest sagt er das.“ Sein Sohn sah ihn vorwurfsvoll an. „Also wirklich. Wie kannst du nur? Du warst ganze 17 Stunden verschwunden. Wir haben uns Sorgen gemacht.“

„Ihr wolltet halt nicht mit mir feiern.“

„In deinem Alter…“ Das Entsetzen in der Stimme seines Sohnes erheiterte Erwin, doch zu lachen traute er sich nicht. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er zehn Tonnen wiegen. Der Schnaps war wie versprochen ‚harter Scheiß‘ gewesen.

„Mama, sag doch auch mal was.“

„Also wirklich Erwin. Das nächste Mal nimmst du mich mit.“ Seine Frau grinste ihn an.

„Gebongt, Schnecke.“

14 Kommentare zu „„Der 74ste“ | Writing Friday KW 5

  1. Die Geschichte gefällt mir sehr gut, mit dem Ausreißer kann ich mich identifizieren!
    (Nur der Aufgabenstellung kann ich in meinem Alzer nicht mehr heimfolgen: Wem entreißt der Alte was?)

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  2. Hallo Katharina,
    ich hab so lachen müssen an manchen Stellen. Eine klasse Geschichte, wie immer. Ich habe diese Woche leider nicht beim #WritingFriday mitgemacht, aber ich hoffe, dass ich nächste Woche wieder die Zeit dazu finde.

    Übrigens, ich habe dich für den „mini Buchtraum Award“ nominiert. Vielleicht hast du ja Lust, mitzumachen: https://emmaescamillablog.wordpress.com/2019/02/03/mini-buchtraum-award/

    Liebste Grüße und noch einen schönen Sonntag,
    Emma

    Gefällt 1 Person

  3. Liebe Katha 😀 du hast da ja einen super coolen Erwin geschaffen 😀 er brachte mich total zum Lächeln und ich finde seine Einstellung super. Das Alter sollte gefeiert werden ❤

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  4. Die Geschichte ist super 😀 Der Opi könnte glatt mein Vater sein, der ist zwar „erst“ 63, aber will auch einfach nicht alt werden xD

    Kleine Anmerkung: Als die Jungs ihn siezen, das „Sie“ hast du klein geschrieben, das müsste groß sein und bei BlutsBrüder hast du das „b“ vergessen^^

    Liebe Grüße,

    Tilly

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    1. Hey Tilly,
      meine Großeltern waren ähnlich. Lustigerweise hieß mein Großvater sogar Erwin.
      Danke für den Hinweis, ich korrigiers gleich. Habe mich damit abgefunden, dass ich eigene Fehler nicht finde. 😉

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      1. Hey 🙂
        Mein Opa heißt auch Erwin 😀 ist aber schon über 80^^

        Bitte gerne, ich kenne das selber. Bei anderen fällt mir sowas auf, aber bei meinen eigenen Texten hab ich irgendwie einen kleinen Tunnelblick. 😉 Also alles gut, deswegen helfen wir (Hobby)Autoren doch gegenseitig.

        Gefällt 1 Person

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