Heute mein Text zu dem Writing Friday Winter Special von Elizzy. Bis zum 24ten wird jeden Tag von einem anderen Blogger ein Text veröffentlicht. Vor mir war die Corly mit ihrer Adventskalendergeschichte dran und nach mir wird sich Lisa von lisaszeilenliebe kreativ austoben. Eine Übersicht findet ihr auf Elizzys Seite.
Einer ist kein Paar
Paul hasste die Weihnachtszeit, denn es gab immer diesen einen Tag, an dem er nichts als Einsamkeit spürte. Dieser Tag war heute.
Es hatte den Morgen geschneit. Während der Schnee am Anfang noch weiß und glitzernd die Gehwege, Straßen und Gärten bedeckt hatte, lag jetzt überall beiger Matsch. Alles sah so deprimierend aus. Die Bäume waren kahl, die Kälte war fassbar und der matschige braune bis gelbe Schnee unterstrich die Trostlosigkeit.
Paul war traurig. Noch mehr als der misslungene Schneetag betrübte ihn der Abend. Es war bereits eine Weile dunkel und die Kälte kroch an ihm hinauf und in ihn hinein. So saß er hier im Dunkeln auf der Veranda und beobachtete die Menschen in der Nachbarschaft.
Die letzten Kinder kamen nach Hause. Zogen ihre nassen Stiefel aus, um sich in den warmen gemütlichen Häusern zu wärmen, in freudiger Erwartung auf ihre Geschenke. Erwachsene hasteten nach Hause, weil sie die letzten Geschenke besorgt hatten oder weil sie spät von der Arbeit kamen und zu ihren Familien wollten. Das Pärchen vom Ende der Straße lief Hand in Hand gen Heimat. Wahrscheinlich um sich gemeinsam vor den Kamin zu kuscheln. Er sah sie an, sie sah ihn an. Man spürte ihre tiefe Verbundenheit.
Paul seufzte. Er vermisste Pauline, sein Gegenstück, seine bessere Hälfte. Wäre sie nur hier, würde er sich nicht so furchtbar einsam fühlen. Pauline war manchmal laut und launisch gewesen, aber ohne sie fühlte sich Paul nutzlos. Er vermisste ihre Stimme, ihre Art an seiner Seite zu stehen, ihn immer aufzuheitern, wenn es ihm schlecht ging, ihn zu foppen, damit er aus seinem Selbstmitleid erwachte.
Aber Pauline war nicht hier und Paul war alleine.
So saß Paul auf der Veranda. Stundenlang. Er dachte über den Sinn des Lebens nach und fand so recht keinen. Er grübelte und versuchte sich über seine nächsten Schritte klar zu werden, doch er wusste nicht wohin. Nicht ohne Pauline.
Und so stand er noch bis weit nach Mitternacht, hoffte, dass es bald mit ihm zu Ende ging. In der Kälte. In der Einsamkeit.
Irgendwann war er wohl ohnmächtig geworden, denn er kam erst am Morgen wieder zu sich, als er etwas Eigenartiges spürte. Etwas füllte ihn plötzlich aus. Etwas weiches knubbeliges und etwas kaltes flaches komisch geformtes.
„Fabian, sieh mal. Der Nikolaus war da.“
Paul hörte Fußgetappel.
„Sieh mal, in deinem rechten Stiefel steckt etwas.“
Fabian quietschte vergnügt und nahm einen Schokoweihnachtsmann und ein Spiderman-Kuscheltier aus Paul heraus. Dann schlüpfte er mit seinem Fuß in ihn hinein. Gleich wurde Paul viel wärmer. Und da war auch Pauline. Die gute Pauline. Paul hätte weinen können vor Freude.
„Jetzt werd doch nicht wieder rührselig. Du bist so melodramatisch, dabei ist das dein dritter Nikolaustag. Zwei mit Maximilian und der erste jetzt mit Fabian. Nächstes Jahr dann wahrscheinlich mit Kilian. Ich merke Fabians Zehen, wie sie mich vorne pieken.“
Pauline schielte zu Paul, der sie immer noch mit Tränen in den Augen anstarrte.
„Himmel, du bist aber auch ein seltendämlicher Stiefel. Jedes Jahr, jedes verdammte Jahr. Jetzt reiß dich mal am Schnürsenkel.“
Er hatte sie so sehr vermisst. Ein Stiefel alleine machte keinen Sinn. Nur zwei ergaben ein Paar.
Huhu,
ach, das ist ja eine schöne Geschichte und dann auch noch mit Happy End. Gefällt mir.
LG corly
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Hey Corly,
zu Weihnachten müssen Happy Ends schon sein. 😉
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auf jeden Fall.
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🙂 Das hat mich gerade zum Lächeln gebracht! Vielen Dank für die hübsche Geschichte, ich glaube, ich kann nie wieder einzelne Schuhe am Nikolaustag ansehen, ohne an Paul zu denken…
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Hey,
das freut mich. 🙂 Hehe, ich wahrscheinlich auch nicht.
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Hallo Katha,
tolle Idee, dass man erst am Schluss darauf kommt, dass die Geschichte von der Beziehung zweier Stiefel handelt!
LG Norbert
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Hey Norbert,
war schwer nicht zuviel zu verraten. Habe ja auch sitzen geschrieben, wobei Stiefel ja eher stehen. Naja, künstlerische Freiheit. 😉
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Hallo Katha, eine wirklich schöne Geschichte hast du für uns geschrieben. Dieser Abschnitt hat mir sehr gut gefallen, auch wie du mit den Worten gespielt hast:
So saß Paul auf der Veranda. Stundenlang. Er dachte über den Sinn des Lebens nach und fand so recht keinen. Er grübelte und versuchte sich über seine nächsten Schritte klar zu werden, doch er wusste nicht wohin. Nicht ohne Pauline.
Ich hoffe, dass ich noch weitere tolle Kurzgeschichten von dir lesen werden, du hast Talent!
LG
Melanie
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Hey Melanie,
wow, danke. ☺
An dem Abschnitt hab ich auch ziemlich rumgedoktert. Manchmal gibt es so Kernmomente in Texten, die einfach stimmen müssen.
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Herrlich. Ich hab tatsächlich noch mal drüber lesen müssen, ob ich das auch richtig verstanden habe, so sehr war ich erst auf der falschen Fährte. Klasse. Und echt putzig. Männer dramatisieren so gerne – sogar als Stiefel. hihihi.
LG
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Hey Rina,
das freut mich. Man hat ja immer Angst, doch was zu früh preiszugeben. 😉
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Das stimmt. Aber hier hat es gepasst😁
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Hallo,
sehr schöne Geschichte. Ich musste viel vor mich hinschmunzeln. Eine tolle Idee! 😀
Liebe Grüße
Diana von lese-welle.de
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Hey Diana,
freut mich. 🙂
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Ist das eine wunderbare Geschichte! 🙂 Da sieht man mal, wie die eigenen Erwartungen an die Geschichte während des Lesens schon wieder eifrig vorausrennen, bis dann der kleine aber überaus feine Plottwist dazwischenkommt. 😀 Und ab jetzt werde ich einfach beide Stiefel zusammen nach draußen stellen… 😀
Liebste Grüße,
Ida
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Hey Ida,
werde ich auch machen. Nicht nur ist keiner alleine, es passt auch mehr rein. 😉
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Liebe Katha,
deine Geschichte ist wirklich zauberhaft. Du hast ganz wunderbar mit meinen Leseerwartungen gespielt, denn mit dieser Auflösung hätte ich wirklich nicht gerechnet. 🙂
Liebe Grüße
Anna
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Hey Anna,
danke. Freut mich, dass ich dich and er Nase herumführen konnte. 😉
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Liebe Katharina,
eine sehr schöne aber auch traurige Geschichte. Ich musste am Ende aber doch lachen, da ich ein bisschen gebraucht habe um die Pointe zu verstehen. Wirklich großartig deine Idee.
Liebe Grüße,
Gina
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Hey Gina,
ein wenig schlechtes Gewissen hatte ich schon, weil es am Anfang doch schon sehr depremierend ist, aber irgendwie liebe ich fiese Plottwists. 🙂
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Guten Morgen, Katharina!
Eine wirklich niedliche Geschichte. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich gecheckt habe, dass Paul ein Stiefel ist! Vor allem wie Pauline nachher zu ihm Sprach. Sehr sehr süß!
Viele Grüße; Annie
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Hey Annie,
danke. Freut mich, dass dich das Ende überrascht hat. 🙂
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Eine wundervolle Geschichte ❤
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Hallo Katha,
eine sehr süße Geschichte mit einem tollen Twist am Ende. Ich dachte erst, Paul sei ein älterer Herr, dessen Frau gestorben ist oder so. Aber dass er ein Stiefel ist, darauf wäre ich gar nicht gekommen – eine echte Überraschung. Hat mir super gefallen. Und deinen Schreibstil mag ich auch sehr gerne.
Frohe Weihnachten!
Emma
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Hey Emma,
das freut mich. Danke.
Frohe Weihnachten. 🙂
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