wie beschreibt man hass | Der Dienstag dichtet


Der Dienstag ist für mich Gedichtetag. Wer sich anschließen will, ist herzlich willkommen. Einfach einen Kommentar schreiben. Die Liste der bisherigen Dienstagdichter findet ihr am Ende.

wie beschreibt man hass

wenn ich versuche, den hass, der derzeit
allgegenwärtig zu sein scheint, in worte zu
fassen, scheitere ich kläglich. ich schreibe
von unüberwindbaren bergen, kahlen wüsten,
von tiefem schlamm, aber kein bild scheint
ihn zu fassen. vielleicht, weil ich den hass
nicht verstehe. warum hasst man menschen,
die eine andere hautfarbe, augenfarbe, religion
haben? warum hasst man menschen, die
lieben, wen sie wollen, die leben, wie sie
fühlen? warum hasst man worte, die dazu
da sind, um zu verbinden? wenn ich versuche,
den hass in worte zu fassen, scheitere ich
kläglich, weil ich den hass unerträglich finde.
und ich hoffe, dass der hass nur so laut ist,
weil denen ohne hass auch die worte fehlen.

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11 Kommentare zu „wie beschreibt man hass | Der Dienstag dichtet

  1. Du hast mit deiner letzten Zeile für mein Empfinden den Punkt gut getroffen, an dem es scheitert. Nicht am Indifferentsein oder daran, dass man keine Meinung hat, bricht sich das Verbalisieren eigener Empfindungen von Unwohlsein, sondern am inneren Widerwillen gegen das aggressive Polarisieren, Attackieren und Konsumieren solcher Äusserungen oder sie durch eigene Wortbeiträge bei denen hervorzurufen, die keine Aversion gegen Ablehnungsäusserungen empfinden.

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      1. Das liegt vermutlich daran, dass dein Gedicht wie eine Nadel in meinen Gedankenballon gestochen hat, mit dem ich schon einige Tage herumgegangen bin.
        Der eigenen Überforderung begegnen oder der der anderen – was meinst du?

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      2. Hn, Überforderung nimmt einem gefühlt aber die Verantwortung und die haben beide Seiten. Die eine Seite trägt für ihren Hass Verantwortung, die andere dafür zu kämpfen, dass dieser Hass nicht salonfähig wird.

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  2. Hass ist mir weitestgehend fremd, als er einmal in einer besonderen Situation hochkochte, war ich erschrocken, was für ein gewaltiges Gefühl er ist. Ich kann Menschen oder Gesagtes/Geschriebenes ablehnen, aber hassen? Und manchmal denke ich, dass diese Floskel: ich hasse das … letztlich gar kein Hass ist, sondern Unzufriedenheit und Neid.

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    1. Hass muss man ja nicht als solchen benennen, um ihn zu äußern. Ich habe Sonntag die Sendung mit der Maus-Folge über den Holocaust geteilt und da haben Menschen meinem Kind gewünscht, dass es von „Ausländern“ ermordet wird. Das ist für mich Hass. Ebenso wie die regelmäßigen Drohungen, die ich bekomme, wenn ich etwas zu LGBTQ, Gendern oder wenig beliebten Ländern schreibe.

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  3. Hass hat, denke ich, viele Ursachen. Immer, wenn man etwas ohne Gegenleistung hergeben muss; wenn man die Predigten der Eltern oder Lehrer oder Pfarrer nicht mehr hören kann; immer wenn einem etwas verwehrt wird, was einem eigentlich zusteht; immer, wenn ein Zuhause zerstört wird. Aber auch immer, wenn es einem eingetrichtert wird; wenn gelehrt wird: der hat es nicht verdient, der ist ein Ungläubiger, eine Hexe, der entwindet sich der Norm.

    Ich habe ein paar Jahre zuzeiten Khomeinis im Iran gelebt und habe erlebt, wie die Menschen und vor allem Kinder indoktriniert wurden, Hass gepredigt wurde und die Heilige Pflicht ausgerufen wurde, sich dem Bösen entgegen zu stellen. Die Empfänglichkeitslücke wird wohl immer gefunden werden. Leider.

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