
Dies ist ein Text zu den abc.etüden von Christiane. Diesmal mit dem Etüdensommerpausenintermezzo. Ziel ist es mindestens 7 aus 12 Wörtern (siehe Bild) in einem Text unterzubringen und es muss der Satz „Eigentlich ist es schade, wie wenig wir einander kennen.“ vorkommen.
Der Sinn vom Urlaub
Dunja hasste es in aller Herrgottsfrühe aufzustehen, aber ihr Flug würde in vier Stunden gehen und sie mussten noch Frühstücken, zum Flughafen fahren und dieses ganze nervige Eincheck-Prozedere durchlaufen. Dunja hasste auch das Fliegen, aber auf Teneriffa kam man schlecht mit dem Auto. Sie rüttelte Juri wach, der sie müde anblinzelnde und dann gleich lächelte. „Urlaub“, sagte er und sprang auf.
„Nach dem Flug“, erwiderte Dunja und stellte sich vor, wie sie nach dem Einchecken ins Hotel, an den Strand schlenderten und sich in die Wellen stürzten. Dunja war eine klassische Wasserratte, während Juri lieber im Schatten blieb und las. Manchmal fragte sie sich, warum sie überhaupt gemeinsam in den Urlaub fuhren.
Als die Regionalbahn endlich am Flughafen angekommen war, fühlte sich Dunja schon deutlich besser. Pünktlich am Schalter zu sein, nahm schonmal die erste Anspannung weg. Auch die Gepäckabgabe und die Security überstanden sie ohne große Probleme, sodass sie im Terminal noch eine Weile Zeit hatten, bis das Boarding losging. Dunja brauchte einen Kaffee, Juri reichte das Wasser aus dem Automaten, also zog sie alleine los. Der Flughafen war klein, aber dadurch gab es auch nicht viele Läden oder Stände. Gleich der erste Stand mit Kaffee, den sie fand, hatte ein Schild aufgehängt mit „Sommerpause“. An einem anderen Terminal wurde Dunja endlich fündig. Ein kleiner Kaffeestand mit älterem Herren lockte ihren Geruch mit frischen Kaffeeduft. Der Mann lächelte freundlich.
„Meine Schöne, was kann ich für Sie tun.“
Normalerweise fand sie so Ansprachen eher nervig aber der Mann hatte etwas an sich, dass sie das Kompliment annahm. „Ich hätte gerne einen einfach schwarzen Kaffee.“
„Kaffee ist nie einfach. Setzen Sie sich doch, dann mache ich Ihnen einen.“ Sagte er und drehte sich um.
Dunja setzte sich an einen kleinen Tisch, neben dem Kaffeestand. Der Sessel, auf dem sie Platz nahm, erinnerte sie an die Einrichtung ihres Großvaters. Er war braun, aus Leder und hatte überall Flicken. Auch der Tisch sah eher nach Seniorenheim und weniger Café aus. Er war aus Holz und eine mit Blumen bestickte Tischdecke lag darauf. Sie war so vertieft in ihre Beobachtungen, dass sie gar nicht bemerkte, wie der Mann die Tasse Kaffee vor ihr abstellte.
„Darf ich mich denn zu ihnen setzen?“ fragte er.
Dunja zuckte mit den Schultern. „Klar.“ Eigentlich hatte sie in Ruhe den Kaffee genießen wollen, aber der Mann war so unaufdringlich, dass sie seine Anwesenheit nicht störte. Im Gegenteil, sie hatte das Gefühl, dass er ihr half weiter runterzukommen. Der Urlaub begann jetzt und wurde nur kurz von dem dreistündigen Flug unterbrochen werden, auf den sie sich immer noch nicht freute.
„Wo geht es denn hin?“
„Teneriffa.“
„Und was möchten Sie dort finden?“, fragte er.
Dunja fand die Frage eigenartig. „Erholung, wie wohl jeder, der Urlaub macht.“
„Erholen kann man sich auch Zuhause.“
„Dann etwas Neues erleben“, antwortete Dunja irritiert.
„Geht auch Zuhause.“
„Weg von Zuhause zu sein dann eben.“
„Und was ist Zuhause so schlimm, dass man da weg muss?“, fragte der Mann.
„Nichts.“ sagte Dunja immer noch irritiert von den Fragen. Was wollte der Mann von ihr? „Warum machen sie denn Urlaub?“
„Um Urlaub zu machen, brauche ich nicht wegfahren. Ich lerne auch hier tagtäglich jede Menge neuer Menschen kennen. Orte sind immer gleich. Einige haben Berge, andere Seen, ein Meer, aber im Grunde ist es immer nur Erde und Wasser. Die Natur kann wunderschön sein, aber erst Menschen beleben Orte, ob es Fremde sind oder Freunde. Es ist dasselbe Prinzip wie Heimat. Etwas zur Heimat macht kein Ort, sondern die Menschen, die dort leben.“ Der Mann lächelte. „Statt also die Welt zu erkunden, erkunde ich lieber Menschen und ihre Leben. Eigentlich ist es schade, wie wenig wir einander kennen.“
Dunja dachte einen Moment nach, doch ihr fiel nicht so recht ein, was sie darauf erwidern sollte. Ob sie nun am Strand von Teneriffa oder an der Ostsee lag, war nicht der große Unterschied. Für die Ostsee konnte sie nur Juri nicht begeistern und ohne Juri war ein Urlaub kein Urlaub.
„Dunja, das Boarding beginnt“, rief Juri aufgeregt und kam ihr entgegengerannt. „Wo bleibst du denn?“
Dunja wachte aus ihren Gedanken auf. Der Mann vom Kaffeestand war verschwunden. Sie legte Geld auf den Tisch, dann lief sie Juri hinterher zum Terminal.
„Sag mal Juri. Was macht für dich einen Urlaub aus?“ fragte sie atemlos.
„Das willst du jetzt wissen?“ Juri lachte. „Hn, wir zwei ungestört vom Alltag und dem ganzen Drumherum. Warum fragst du?“
„Nur so“, sagte Dunja und nahm Juris Hand. „Los! Wir wollen den Flug doch nicht verpassen.“
Mal raus aus dem Trott, mal alles anders machen wollen und dürfen und laut rufen können: ihr könnt ich mal alle gern haben.
Schön rüber gebracht.
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Tolle story -so ähnlich geht es mir am Frankfurter Flughafen, wenn wir nach Madeira fliegen 😉
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War auch inspiriert von wahren Begebenheiten. 😇
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Ich finde es schön, dass er sie zum Nachdenken bringt, obwohl ich nicht komplett seiner Meinung bin. Aber für sie gilt es, was er sagt: Heimat ist ein Mensch ist Juri, und da sie hauptsächlich mit ihm zusammen sein will, würde sie vermutlich auch mit ihm ans Ende der Welt fliegen. Schön, wenn es plötzlich so einfach ist.
Danke dir, gefällt mir sehr. ❤
Abendgrüße! 😀
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Ich auch nicht, aber ich fand den Gedanken interessant und wollte ihn unbedingt mal in eine Geschichte verbauen. 😇 Danke.
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Ich kann die Einstellung des Herren sehr gut nachvollziehen. Schönes Sommerintermezzo 🙂
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Danke. 😇
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