nach außen | Der Dienstag dichtet

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Da ich kaum Gedichte schreibe, habe ich den Dienstag zum Gedichte-Tag erklärt und veröffentliche wöchentlich ein Gedicht über etwas, das mich gerade bewegt.
Wer sich anschließen will, ist herzlich willkommen. Einfach einen Kommentar schreiben.
Mit von der Partie sind bisher
Stachelbeermond
Mutigerleben
Wortgeflumselkritzelkrams
Werner Kastens
Findevogel
Wortverzauberte
Ein Blog von einem Freund
Lyrikfeder
Nachtwandlerin
Lindas x Stories
und La parole a été donnée à l’homme


nach außen

bis sich das innere ganz und gar nach außen
stülpt. ich will meine organe offen tragen. das
gehirn soll vom wind gekitzelt werden, die
niere wird vom regen nass. ich trage schleifen
um beide eierstöcke und ohrringe an meiner
gebärmutter. wer mich ansieht, erkennt. wer
ich bin. wäre. sein wollen würde. ehrlichkeit
ist schwierig. wie ist mir egal, was du über die
hohlräume zwischen meinen rippen denkst?
ein fremder blick tastet sich meinen dünndarm
entlang. abschätzig mustert er die ungleichen
windungen. unrund, zu wenig oberfläche. ich
rutsche auf dem cervixschleim der erwartungen
aus. deiner. ich will meine organe offen tragen.
mein herz soll in dem blitzlicht strahlen. meine
emotionen verursachen den donner dazu.

23 Kommentare zu „nach außen | Der Dienstag dichtet

  1. Das ist wirklich so so gut, ich bin gerade richtig begeistert!! Kann gar nicht genau sagen, was mir so gut gefällt – aber einfach dieses Gesamtwerk ist so geladen von Emotionen und hat mich echt berührt. Danke dir dafür!!

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  2. Hallo Katha,
    da habe ich zuerst einmal ganz schön geschluckt, als ich Dein heutiges Gedicht gelesen habe.

    Dann fiel mir dazu ein Bild mit dem Titel „The right way to serve food at a party” ein, weil das bildlich ein wenig untermauert, was Du uns als Frühstück heute angeboten hast:

    https://wkastens.files.wordpress.com/2020/07/the-right-way-to-serve-food-at-a-party.jpg?resize=320%2C320

    Aber Spass beiseite: sich in allen, wirklich ALLEN Bereichen keine Blößen geben und sich vor dem Leser quasi mehr als NACKIG machen, das hast Du wunderbar beschrieben. Und ich glaube, nur so entsteht wahre Authentizität.

    Gerade weil es so brutal anders ist, rangiert dieses Gedicht bei mir ganz oben!

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    1. Das Bild hat was, vor allem weil ich eben erst einen Podcast zum Kannibalen von Rothenburg gehört habe. 😅
      Danke. 😊 Es freut mich wirklich, dass es so gut ankommt.

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  3. Wow. DAS nenne ich wirklich plastisch! Ein sehr spannendes Bild, das du da zeichnest, man stelle sich vor, wir würden alle so ehrlich durch die Gegend spazieren. Wären wir dann nachsichtiger mit uns oder entsetzt oder auf Krawall gebürstet? Ich bin mir nicht sicher.

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    1. Hn, rein psychologisch betrachtet, ist man wahrscheinlich eher auf Krawall gebürstet, um sich zu schützen. Oder man ist so stark, dass man es aushält. Mich fasziniert die Vorstellung in einer Welt zu leben, in der jeder er/sie selbst ist und niemand lügt.
      Danke. 😇

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      1. Das wäre eine Herausforderung. Vor Jahren war ich der Überzeugung, man solle immer ehrlich sein, aber im Alltag ist das sehr schwierig, ohne andere dauernd vor den Kopf zu stoßen. Wenn man Leute nur flüchtig kennt, geht es meist schief aus, wenn man ehrlich ist (ich habs probiert). Bei engeren Bekanntschaften geht es besser, aber einfach ist es da auch nicht. Die Wahrheit tut oft weh.

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      2. Vielleicht gibt es eine Art Ehrlichkeit, die nicht „zu ehrlich“ ist. Ich bemühe mich auch immer ehrlich zu sein, aber wenn es dabei um mich selbst geht, finde ich es schwierig. Wenn jeder offener wäre, wäre es vielleicht insgesamt einfacher.
        Btw. kennst du den Film „The invention of lying“. Da waird das Thema sehr parodiert dargestellt.

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  4. Liebe Katha,
    das lesende Auge will fast den Blick abwenden. Faszinierendes, emotionales Gedicht! „Blankziehen“ ist da wohl noch untertrieben. Was wäre wohl, wenn das Innere des Körper genau wie die äußere Hülle lauter Verurteilungen und Bewertungen ausgesetzt wäre? „ein fremder blick tastet sich meinen dünndarm entlang. abschätzig mustert er die ungleichen windungen. unrund, zu wenig oberfläche.“ – so oder so ähnlich wäre das wahrscheinlich.

    Liebe Grüße
    Alina

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    1. Wahrscheinlich ist es angenehmer nackt umher zu laufen, als sein Innerstes zu zeigen. Ich finde das sieht man stark auf Instagram. Leute dokumentieren minütlich ihr Leben, aber nur die Oberfläche und die meist sogar mit Filtern versehen.

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