„Die andere Seite der Geschichte“ | Writing Friday – KW6

* Dies ist ein Text zu der Aktion „Writing Friday“ von Elizzy. Jeden Freitag wird zu einem der vorgegebenen Themen veröffentlicht. Die Liste aller Teilnehmer findet ihr auf Elizzy’s Seite. *

Als Kind habe ich die stark abgewandelte Zeichentrickversion von „Jack und die Bohnenranke“ geliebt. Später dann habe ich die „Originalgeschichte“ dazu gelesen und verschiedene weitere Auslegungen. Eine Sache hat mich bei fast allen gestört und darum geht es.

Thema: Schreibe eine Geschichte die mit dem Satz “Jack griff zu seinem Schwert und zögerte dann doch, denn…” beginnt.

Jack griff zu seinem Schwert und zögerte dann doch, denn seine Neugierde war kaum mehr zu bändigen. Dies war das dritte Mal, dass er aus Versehen eine Bohnenranke erzeugt hatte. Sein Vater, Jack Senior, hatte ihm zwar eingeschärft, Bohnenranken immer zu zerstören, aber Jack Junior wollte langsam wissen, wie das Land aussah, dass sein Vater über den Wolken entdeckt hatte. Seine Eltern waren auf eine Hochzeit ein paar Tagesritte entfernt. Das war die Gelegenheit selbst nachzusehen. Jack packte sich also einen Rucksackmit Proviant und begann den Aufstieg.

Es schien Ewigkeiten zu dauern, aber als die Dämmerung hereinbrach, erreichte er endlich sein Ziel. Erschöpft ließ er sich neben dem Brunnen fallen, in dem die Ranke endete. Das war ein Fehler. Wenige Atemzüge später, spürte er Speerspitzen in seiner Seite.

„Keine Bewegung Bürschelchen.“

Jack hielt die Luft an. Um ihn herum standen mit einem Mal allerlei komische Gestalten. Einige waren groß andere eher gedrungen, die meisten hatten seltsam verformte Gesichter. Das waren wohl die hier lebenden Gnome, von denen ihm sein Vater erzählt hatte. Doch Jack Senior hatte sie als nett und friedlich beschrieben. Das mit den auf ihn gerichteten Speeren fand er allerdings weder nett noch friedlich. Ein großer Gnom drehte ihn mit einem Mal auf den Bauch und man fesselte ihm die Arme. Schließlich wurde er hochgehoben und geknebelt.

„Eine falsche Bewegung und du bekommst Schnappatmung.“

„Grumm übertreib doch nicht. Wirklich gefährlich sieht er nicht aus.“

„Sah der andere auch nicht und dann stellte sich heraus, dass er ein Dieb und Mörder war. Hn und der hier sieht ihm verdammt ähnlich.“

„Trotzdem sollten wir unsere friedliche Natur nicht vergessen. Lasst ihn zu Frau Nelke bringen. Sie weiß sicher, was wir mit ihm anzufangen haben.“

„ Einfach! Erstens: Ranke abschneiden. Zweitens: Jungen runterwerfen.“

„Grumm!“

Grumm grummelte, dann schob er Jack vor sich her in Richtung eines riesigen Gebäudes. Dieser war starr vor Angst. Was hatte das alles zu bedeuten? Dieb? Mörder? Sie wollten ihn von der Bohnenranke schmeißen?

Nicht lange, dann hatten sie das übergroße Gebäude erreicht. Es duftete nach Erbsensuppe. Drei Gnome öffneten die Tür, die restlichen der Gefolgschaft drängten Jack ins Innere. Das Haus war riesig. Fünf Meter hohe Türen, ein drei Meter hoher Tisch, ein Meter lange Schuhe. Jack schluckte schwer. Eindeutig lebte hier ein Riese. Doch der Riese, der seinen Vater hatte umbringen wollen, war die Ranke hinuntergestürzt.

„Wir haben einen dieser feigen Dreckschweine erwischt, Frau Nelke.“

„Na na na, Grumm. Das sagt man doch nicht.“

Eine laute Stimme erschallte aus einem der Räume und Grumm manövrierte Jack in die Richtung. Als sie durch eine der Türen links liefen, sah er die Riesin. Sie hatte graue Haare, zu einem Dutt gebunden, trug ein Kleid mit Schürze und Hausschuhe aus Holz. Sie sah aus wie Jacks Oma, allerdings zwanzig Mal so groß.
„Ein Mensch. Ich habe gefühlt ewig keinen mehr gesehen. Sag wie heißt du?“

Jack brummelte etwas in seinen Knebel.

„Um Gotteswillen, nehmt ihm den Knebel aus dem Mund und löst die Fesseln!“

Jack rieb sie die Handgelenke, nachdem Grumm die Fesseln widerwillig gelöst hatte. Alles fühlte sich taub an und sein Mund war ganz trocken.

„Antworte gefälligst.“ Grumm stieß ihm in die Rippen.

„Marc.“ Jack nannte lieber seinen Zweitnamen – den Namen seines Opas.

„Hallo Marc. Willst du etwas Suppe?“

Jack nickte. Langsam verflog seine Angst, aber wirklich wohl fühlte er sich nicht. War das irgendeine Art Hinterhalt? Und was war hier überhaupt los?

Einer der Gnome holte eine kleine Suppenschüssel, in die Frau Nelke etwas Suppe füllte. Dann hob Frau Nelke Jack vorsichtig hoch auf den Esstisch, auf dem ganz viele kleine Esstische standen. Nach und nach erklommen auch die anderen die Tische und bekamen auch Teller mit Suppe. Schließlich setzte sich Frau Nelke.

„So Marc. Was führt dich zu uns?“

„Ich war neugierig.“

„Soso. Wusstest du was dich erwartet?“

„Ich habe Geschichten gehört.“

„Was kam in den Geschichten vor?“

Jack versucht vorsichtig in seiner Wortwahl zu sein. „Das hier ein ganzes Land über den Wolken ist, mit allerlei Wesen und ein Riese. Ich dachte nur der wäre runtergefallen.“

„Gestoßen trifft es eher.“

„Grumm. Wir wissen nicht genau was passiert ist.“ Frau Nelke betrachtete Jack etwas genauer. „Du siehst Jack sehr ähnlich.“

Jack blieb vorsichtig. „Wer ist Jack?“

Frau Nelke seufzte. „Ach, das ist eine so tragische Geschichte und es liegt nun schon zwanzig Jahre zurück. Vielleicht erzählst du lieber Kleeblatt.“

Der Gnom, der Jack sie Suppenschüssel gebracht hatte, nickte.

„In jeder Generation gibt es ein Kind, ein Himmelskind, das die Bohnenranke wachsen lassen kann. Manche besuchen uns nur ab und an, andere leben länger bei uns. Sobald sie erwachsen werden verabschieden sie sich für immer und nehmen das Wissen, dass sie hier erlangt haben mit. Es ist ein Austausch. Wir erfahren so von der Entwicklung unten. Die Himmelskinder erhalten im Gegenzug einen Funken Magie aus den Wolken und verbreiteten ihn. Oh, aus den Himmelskindern wurden Herrscher, Schriftsteller und Künstler. Und dann kam Jack.“

Kleeblatt seufzte. „Ich mochte ihn. Er war so frech und abenteuerlustig. Allerdings auch vorlaut. So geriet er öfters mit Herrn Tulpe, Frau Nelkes Ehemann, aneinander. Bei seinem dritten Besuch fiel uns auf, dass immer mehr Dinge aus dem Haus fehlten. Erst waren es nur ein paar Goldmünzen, dann unsere geliebte Goldene Gans und zum Überlaufen brauchte es das Fass als Herr Tulpe sein Lieblingsinstrument, eine Harfe, nicht wiederfand. Er stellte Jack zur Rede, doch dieser bestritt die Tat. Sie wurden laut und auch etwas grob. Dann floh Jack und Herr Tulpe rannte hinterher. Er beschloss selbst nachzusehen, in der Menschenwelt.“

Und wieder seufzte Kleeblatt. „Er kam nie wieder. Die Ranke riss und Herr Tulpe fiel in seinen Tod.“

Platsch. An der Tischkante bildete sich eine große Pfütze. „Entschuldigt.“ Frau Nelke nahm ein Taschentuch aus ihrer Schürze und trocknete ihre Tränen.

„Ich sag doch: elender Mörder.“

Grumm schlug mit der Faust auf den Tisch.

Jack hatte sich alles in Ruhe angehört. Hatte sein Vater ihn belogen?

„Ach alle Geschichten haben zwei Seiten. Ja, Jack hat uns bestohlen, aber mein Mann war auch etwas hitzköpfig. Sicherlich hätte sich alles klären lassen.“ Frau Nelke stand auf. „Geschehen ist geschehen. Aber jetzt bist du hier und hast die Chance das Land über den Wolken kennen zu lernen.“ Frau Nelke rang sich ein Lächeln ab.

„Ich…“ Jack stotterte. „Es tut mir so leid.“

„Na es ist ja nicht deine Schuld. Ich glaube dennoch an das Gute in den Menschen und ich hoffe du kannst die Anderen auch noch überzeugen.“

Jack nickte. Das würde er tun.

13 Kommentare zu „„Die andere Seite der Geschichte“ | Writing Friday – KW6

  1. Oh wie toll! Endlich erfahren wir, wie es nach Jack und der Bohnenranke weiter geht! Ich glaube, ich wäre auch nach oben geklettert, und ich hoffe, Jack macht es besser als sein Vater ;)!

    Liebe Grüße
    Sandra

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  2. Liebe Katharina,
    das ist auf jeden Fall eine sehr interessante Umsetzung! Bis jetzt ist mir nie in den Sinn gekommen, etwas aus Kindertagen umzuwandeln oder einfach so zu schreiben, wie man es sich gewünscht hätte. Ein bisschen kenne ich „Jack und die Bohnenranke“, aber das müsste ich auch mal richtig lesen, glaube ich. 😀

    Liebe Grüße
    Alina 🙂

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  3. Hallo Katharina,

    eine schöne Geschichte aus deiner Feder. Ich mag es, wie du mit den Märchenelementen spielst. Von Jack kenne ich nur den Spielfilm, aber ich glaube, der ist ein bisschen anders als das Original, denn da kommen sämtliche Riesen drin vor.

    Ich wünsche dir noch eine schöne Woche!

    Liebste Grüße
    Emma

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